„Ich konnte das triste Grau der Mauer von meinem Fenster aus nicht mehr sehen. Das war zu deprimierend. Deswegen habe ich begonnen die Mauer zu bemalen,“ beschreibt Thierry Noir seine Anfänge in Berlin Kreuzberg. Ende der 1970er/Anfang der 80er Jahre entdecken neben Noir auch andere die Mauer als riesige Leinwand: Christoph Bouchet, Kiddy Citny, Indiano, Kani Alavi.
Die Berliner Mauer ist auch die Geburtsstätte der Street Art in Deutschland und lockte internationale Künstler an: 1986 bemalte Keith Haring in einer spektakulären Aktion 100 Meter Mauer am Potsdamer Platz.
Das Bemalen der Mauer war jedoch nicht ungefährlich. Denn auch die westliche Seite war Eigentum der DDR, der Grünstreifen davor ihr Hoheitsgebiet. Türen in einigen Mauersegmenten gewährten den Grenzsoldaten Durchlass, um im Westen nach dem Rechten zu sehen. Manchmal wurde auch eine Leiter an die Mauer gelegt und oben drüber gelugt.
Nach dem Fall der Mauer entdeckte die DDR-Regierung sehr schnell den Wert einiger Arbeiten und begann, den Hype um Mauersegmente anzufachen, um damit Kasse zu machen. Die Künstler mussten zunächst tatenlos zusehen, wie ihre Arbeiten auf den Mauersegmenten für horrende Summen verkauft wurden. Letztlich aber konnten sich einige ihren Anteil gerichtlich erstreiten.
Auf einer Länge von 1.300 Metern ist Mauerkunst bis heute erhalten (mittlerweile aber durch ein Immobilienprojekt unterbrochen): Die East Side Gallery ist das Werk von über 100 Künstlern aus Ost und West, die im Frühjahr/Sommer 1990 die Ostseite bemalt haben – als Symbol für die Überwindung des eisernen Vorhangs und als Ausdruck der Hoffnung auf eine menschlichere Gesellschaft. Durch die beharrliche Arbeit des gleichnamigen Künstlervereins steht die East Side Gallery heute unter Denkmalschutz.